Weltbild, August 98
Wetterregeln
Beispiel eins: Der Siebenschläfertag. Diese Bauernregel
bedeutet, wie das Wetter am 27. Juni ist, so bleibt es sieben
Wochen lang. Tatsächlich ist das Wetter Ende Juni häufig von
sehr stabilen Wetterlagen gekennzeichnet. Das Wetter bleibt also
oft über mehrere Wochen gleich - egal, ob regnerisches Tief oder
Schönwetter-Hoch. Wenn der Europäische Sommermonsun kommt,
trifft er in genau diese Zeit, bestätigt man denn auch beim
Deutschen Wetterdienst.
Beispiel zwei: Morgenrot
schlecht Wetterbot. Auch dafür gibt es eine
Erklärung, so Meteorologe Bernd Rudolph vom Wetterdienst in
Freiburg. ,,Wenn die Luft viel Feuchtigkeit enthält, gibt es
ein. schönes Morgenrot. Das hängt mit der Lichtbrechung
zusammen." Je mehr die Feuchtigkeit zunimmt, desto mehr
Bewölkung kommt auf und desto höher ist die
Regenwahrscheinlichkeit. Soweit hat der Spruch seine Richtigkeit.
Allerdings: Ob es dann tatsächlich regnet, wird auch beeinflußt
von Faktoren wie Windrichtung und Temperatur. ,,Total verlassen
kann man sich leider nicht darauf", resümiert der Experte.
Mit dem optimistischeren Reim vom Abendrot gut
Wetterbot hat es ebenfalls seine Bewandtnis Ein
schönes Abendrot, so weiß der Meteorologe Rudolph,
ist natürlich nur dann zu sehen, wenn im Westen schönes
Wetter herrscht. Und unser deutsches Wetter wird aus Westen
beeinflußt. So ist die Chance recht groß, daß sich das schöne
Wetter auch am nächsten Morgen noch zeigt. Das habe aber
mehr mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu tun als mit Vorhersage.
Beispiel drei: Die Eisheiligen. Vorher, so weiß die bäuerliche Bevölkerung seit Jahrhunderten, pflanzt man keine empfindlichen Schößlinge ins Freie. Denn um Pankraz (12. Mai), Servaz (13. Mai), Bonifaz (14. Mai) und Sophie (15. Mai) kann es immer einmal wieder zu einem Temperatureinbruch mit Nachtfrösten kommen, das ist langfristig statistisch nachweisbar. Bis in die vierziger Jahre hat diese Prognose phantastisch funktioniert, seither gibt es, die Gründe sind nicht restlos geklärt, eine leichte Umstellung der Zirkulation über der Erd-NordhalbkugeL Die Termine haben sich nach hinten verschoben, so Rudolph.
Beispiel vier: Auf einen warmen Oktober folgt immer ein kalter Januar. Der Hintergrund: kontinentgroße Luftströmungen in bis zu 20 Kilometern Höhe wandern langsam um die Erde. Eine derartige Hochdruckwelle wirkt sich im Herbst über Europa als sonnig-warmer Spätherbst aus. Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es einen Rhythmus der Strömung, dieselbe Hochdruckwelle bringt am Jahresanfang schneidende Kälte. Denn Hochdruck im Winter bedeutet immer kalte Temperaturen.
Natürlich hat es seit dem Entstehen der
Bauernregeln Kalenderänderungen gegeben, auf den Tag genau darf
man sie deshalb nicht festnageln. Manche Weisheiten sind
lediglich regional zutreffend, der Landwirt in Franken hat andere
Beobachtungen gemacht als der in Schleswig-Holstein. Auch
unterliegen Gebiete mit Föhneinfluß besonderen Wetterregeln.
Das aber sind Hürden, mit denen auch die Meteorologen samt
Computern, Radar und Satelliten kämpfen müssen. Die simple
Prognose, daß das Wetter am folgenden Tag so sein werde wie am
vorhergehenden, erzielt dagegen schon eine verblüffende
Trefferquote von 66 Prozent. Oft müssen die Meteorologen mit
einer Vorhersage-Genauigkeit von 20 bis 40 Prozent leben.
Das Wetter ist und bleibt vorerst eine durch und durch chaotische
Angelegenheit. Auch modernste Prognosen wagen deshalb keine
seriöse Aussage über die Dauer von drei Tagen hinaus.
Hocken Hühner in den Ecken....
Solange die Wetter-Wissenschaftler noch keine absolut sicheren
Vorhersagen treffen, haben Hundertjähriger Kalender und die
meist in eingängiger Reimform gehaltenen Bauernregetn ihre
Chance und Berechtigung. Zuweilen steckt eine gute Portion
Bauernschläue und Lust am Spott darin, wie etwa in folgender
Erkenntnis: Das Wetter erkennt man am Winde, den Herrn am
Gesinde. Ob man ihnen nun glauben will oder den amtlichen
landwirtschaftlichen Vorhersagedienst bevorzugt, unterhaltsam
sind sie immer:
· Pankrazi, Servazi, Bonifazi sind drei
eiskalte Bazi. Und am Schluß fehlt nie genauso kalt noch die
Sofie.
· Regnet's am Siebenschläfertag, es noch sieben Wochen regnen
mag.
· Ist der Mai kühl und naß, füllt's dem Bauern Scheun' und
Faß.
· Wenn der Himmel gerupfter Wolle gleicht, das schöne Wetter
dem Regen weicht.
· Advent schön Kält', sie Monat hält
· Sonnt sich der Dachs in der Lichtmeßwoche, bleibt er vier
Wochen noch im Loche.
· Hocken die Hühner in den Ecken, kommt bald Frost und Winters
Schrecken.
· Wenn die Sonne sticht, der Bauer spricht, die Kühe beißen
und brommen, es wird bestimmt ein Regen kommen.
· Ist der Juli schön und klar, gibt's ein gut's Bauernjahr.