Die Zeitgleichung

Heute geben Atomuhren (z. B. bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig) die genaue Zeit an. Von dort kommt z.B. auch das Signal bei der Umstellung der Uhren auf Sommerzeit im Frühjahr und bei der Rückstellung im Herbst.
Vor dem Zeitalter der Atomuhren wurde die genaue Zeit durch astronomische Beobachtungen bestimmt. Wichtige Zeitmarken erhält man z. B. dadurch, dass man von Tag zu Tag beobachtet, wann die Sonne genau im Süden steht. Dann ist die Zeit "12 Uhr wahre Ortszeit".

Um diese Zeitpunkte zu messen, kann man z. B. einen Mauerquadranten verwenden: Die neben stehende Abbildung zeigt den Mauerquadranten des dänische Astronomen Tycho Brahe aus dem Jahr 1600: An einer genau nach Süden ausgerichteten Mauer war eine Visieranrichtung angebracht, mit der Sterne und auch die Sonne angepeilt wurden.

(Durch Anklicken erhalten Sie eingrößeres Bild)

Die folgende Skizze zeigt die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne. Zum Zeitpunkt I zeigt die Markierung (M) genau zur Sonne, am Ort der Markierung ist die Zeit "12 Uhr wahre Ortszeit".Die Erde bewegt sich auf ihrer Bahn weiter und dreht sich dabei gleichzeitig um ihre Achse. Zum Zeitpunkt II zeigt die Markierung zum erstenmal wieder zur Sonne, ein Tag ist vergangen, es ist wieder 12 Uhr wahre Ortszeit. Dieser Rhythmus wiederholt sich Tag für Tag.

Wenn man die so festgelegte Zeit mit der Zeit vergleicht, die von genau gehenden mechanischen oder elektronischen Uhren geliefert wird, stellt man fest, dass die durch den Sonnenstand fest gelegte Tageslänge über das Jahr gesehen nicht konstant ist. Dies hat zwei Gründe. Den einen kann man gut verstehen, wenn man das 1. und das 2. Keplersche Gesetz kennt.

1. Keplersches Gesetz: Die Erde bewegt sich auf einer Ellipsenbahn um die Sonne. Die Sonne steht in einem Brennpunkt der Ellipse.

2. Keplersches Gesetz: Die gedachte Verbindungslinie zwischen Sonne und Erde heißt Fahrstrahl. Dieser Fahrstrahl überstreicht in der gleichen Zeitspanne (z. B. an einem Tag) die gleiche Fläche.

In der folgenden Skizze sind also die beiden Flächen 1 und 2 gleich groß. (Die Skizze ist nicht maßstäblich)

Dazu muss sich die Erde in der rechten Position an einem Tag um eine größere Strecke bewegen als in der linken Position.
Entscheidend ist: Rechts muss sich die Erde von einem Tag zum nächsten um einen größeren Winkel drehen und benötigt deshalb auch mehr Zeit. In der rechten Position dauern die Tage länger als in der linken. Von einem Tag zum nächsten beträgt dieser Unterschied zwar nur einige Sekunden, über einen Zeitraum von einigen Wochen summieren sich jedoch die Unterschiede.
Wenn man erreichen will, dass alle Tage des Jahres gleich lang sind, darf man also nicht die Wahre Ortszeit zu Grunde legen, sondern muss den über das Jahr gemittelten Durchschnittswert verwenden: Die Mittlere Ortszeit.

Den Zusammenhang zwischen Wahrer und Mittlerer Ortszeit gibt die "Zeitgleichung" an. Es handelt sich dabei nicht um eine Gleichung im Sinne der Schulmathematik, bei der eine Unbekannte zu bestimmen ist. Die Zeitgleichung gibt vielmehr Tag für Tag den Unterschied zwischen der wahren und der mittleren Ortszeit an. Das folgende Schaubild zeigt diesen Zusammenhang: (Hochachse Zeitunterschied in Minuten, Querachse: Datum)

Bildquelle: WIKIPEDIA, Stichwort "Zeitgleichung"

Beispiel: Anfang November (01.11) hat die Zeitgleichung den Wert +16 Minuten. Die "wahre Sonne" geht dann gegenüber der "mittleren Sonne" um 16 Minuten vor. Wenn im Jahresdurchschnitt die Sonne um 12 Uhr genau im Süden steht. dann steht sie an diesem Tag schon um 12 Uhr -16 Minuten = 11 Uhr 44 dort.
Dies fällt vermutlich nur wenigen auf. Eine andere Konsequenz ist deutlicher zu erkenne: Die Sonne geht an diesem Tag auch um 16 Minuten früher unter. Die Tage werden im November allgemein kürzer. Dies geschieht jedoch hauptsächlich dadurch, dass es am Abend sehr schnell dunkel, am Morgen ist die Verkürzung der Tageslänge nicht so offensichtlich.
Die entgegengesetzte Situation liegt Anfang Februar vor: Die Zeitgleichung hat hier einen negativen Wert (-14 Minuten). In dieser Jahreszeit hat die "wahre Sonne"  Verspätung, sie geht also verspätet unter. Die Tage werden im Februar zwar allgemein länger, dies macht sich jedoch in erster Linie am Abend bemerkbar.

Anmerkung 1: Wie oben beschrieben, ist die eine Ursache für die Zeitgleichung durch das 1. und 2. Keplersche Gesetz gegeben. Der zweite Effekt, der hier eine Rolle spielt, ist die Schiefstellung der Erdachse in Bezug auf die Umlaufebene der Erde um die Sonne. Darauf wird hier nicht näher eingegangen.

Anmerkung 2: Das Schaubild er Zeitgleichung erinnert an die Schaubilder, die man durch Überlagerung von zwei Sinus-Funktionen (mit unterschiedlichen Amplituden, Nulldurchgängen und Periodenlängen erhält. Das ergibt 3 Parameter pro Sinusfunktion (a, b und c für die erste und d, e und f für die zweite. Also:

f(x) = a*sin(b*x +c) + d*sin(e*x +f)

Für die Variable x wählt man zweckmäßigerweise die Nummer T des Tages im Jahr:

Tag

T

1. Januar 1
2. Januar 2
.......
31 Januar 31
1. Februar 32

usw.

f(x) ist dann Wahre Ortszeit - Mittlere Ortszeit = d (in Minuten)

Man entnimmt aus dem Schaubild 6 Wertepaare (T/d) und setzt sie in f(x) = a*sin(b*x +c) + d*sin(e*x +f) ein. Diese ergibt ein Lineares Gleichungssystem mit 6 Gleichungen zur Bestimmung der Parameter a bis f. Das Dieses Gleichungssystem kann man z. B. mit dem Grafiktaschenrechner lösen. Man erhält:

d = -10,5*sin(0,033 * T + 0,55) - 8,0*sin(0,018*T - 0,19); d ergibt sich in Minuten

Zur Berechnung von d muss der Taschenrechner auf Bogenmaß eingestellt werden.

Die so ermittelte Gleichung ist natürlich allein durch Anpassen an die Messwerte gewonnnen, sie gibt keine tieferen Zusammenhänge an.

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