Der Himmelsanblick in verschiedenen geographischen Breiten

Wer im Urlaub in Gebiete reist, die sehr viel weiter nördlich oder südlich als sein Wohnort liegen, wird bei genauer Beobachtung feststellen, dass der Sternhimmel etwas anders aussieht als zuhause. Um die Ursachen zu verstehen, sollte man einige wichtige Begriffe der Astronomie kennen, die anhand der folgenden Skizze erläutert werden.

Die Fixsterne haben natürlich unterschiedliche Entfernungen von der Erde, für die folgenden Überlegungen ist es jedoch zweckmäßig anzunehmen, dass sich alle Fixsterne in einheitlicher Entfernung von der Erde an der Fixsternsphäre befinden. Der Radius der Fixsternsphäre ist sehr viel größer als der Erdradius, insofern ist die obige Skizze nicht maßstäblich.
Blaue Eintragungen in der Skizze beziehen sich auf die Erde. Rote Eintragungen beziehen sich auf die Fixsternsphäre. Verlängert man die Erdachse in beiden Richtungen bis zur Fixsternsphäre, so gelangt man zum Himmelsnordpol und zum Himmelssüdpol. Ganz in der Nähe des Himmelsnordpols steht der Polartstern. In der Nähe des Himmelssüdpols gibt es keinen hellen Stern. Analog zur Erdkugel gibt es an der Fixsternsphäre einen Himmelsäquator. Er teilt die Himmelssphäre in einen nördlichen und einen südlichen Sternhimmel.

Da sich die Erde um ihre Achse dreht, hat ein Beobachter auf der Erde den Eindruck, dass sich die Fixsterne um den Polarstern drehen. Die zeigt das folgende Foto:

Man erkennt, dass der Polarstern nicht genau im Zentrum der Drehbewegung, also nicht genau am Himmelsnordpol steht. Die Sterne haben bei ihrer Drehbewegung einen Winkel von etwa 20° überstrichen. Eine einfache Dreisatzrechnung ergibt die Belichtungsdauer:

In 24 Stunden werden 360° überstrichen,
in einer Stunde 15°
Also betrug die Belichtungsdauer 1 Stunde 20 Minuten.

(Eine solche Aufnahme kann man leicht herstellen: Man benötigt einen Fotoapparat, bei dem eine beliebige Belichtungsdauer eingestellt werden kann, und muss ihn dann nur noch auf eine geeignete Unterlage stellen.)

Für einen Beobachter an einem bestimmten Ort der Erde sind prinzipiell alle Sterne sichtbar, die sich oberhalb der Horizontebene befinden. Genau senkrecht über dem Beobachter liegt der Zenit.

Aus der Skizze kann man entnehmen, dass für einen Beobachter auf der Nordhalbkugel der Erde auch bestimmte Bereiche des südlichen Sternhimmels sichtbar sind. In der obigen Skizze wird der Beobachter allerdings die Gebiete in der Nähe des Himmelssüdpols nicht sehen können.

In den auf dieser Website veröffentlichten Monatsübersichten wird normalerweise eine Sternkarte gezeigt, die den Himmelsanblick bei Beobachtung in südlicher Richtung zeigt, wenn der Blickwinkel 100° beträgt. Die beiden folgenden Abbildungen zeigen diese Situation für zwei Beobachter an unterschiedlichen Orten:


Beobachter befindet sich relativ nahe beim Nordpol


Beobachter befindet sich weiter südlich

Man erkennt, dass die Beobachter nicht den gleichen Himmelsausschnitt sehen.

Nun drei konkrete Beispiele.

 Die folgenden drei Bilder zeigen jeweils den Himmelsanblick am 15. August um Mitternacht (Mitteleuropäische Zeit, d. h. 1 Uhr Mitteleuropäische Sommerzeit)) für folgende Orte:
I: 64° nördliche Breite, 9° östliche Länge (Das entspricht etwa der Stadt Trondheim in Norwegen)
II: 49° nördliche Breite, 9° östliche Länge (Das entspricht etwa der Mitte Baden-Württembergs)
III: 34° nördliche Breite, 9° östliche Länge (Das entspricht etwa der Insel Djerba, Tunesien)

I: 64° nördliche Breite:

II: 49° nördliche Breite:

III: 34° nördliche Breite:

Man erkennt:
Je weiter südlich der Beobachtungsort liegt, desto mehr wandert das Sternbild Pegasus zum Zenit (ebenso auch das Sommerdreieck)

I: Vom Sternbild Schütze sind nur wenige Sterne oberhalb des Horizonts.

II: Das Sternbild Schütze (Sagitarius) ist nur zur Hälfte zu sehen.

III) Das Sommerdreieck ist nicht mehr ganz zu sehen, dafür das komplette Sternbild Schütze. Unterhalb des Schützen sieht man sogar die Südliche Krone (Corona australis)

(Durch Anklicken eines Bildes erhalten Sie jeweils ein vergrößertes Bild)

Jetzt wird zum gleichen Beobachtungsdatum der Himmelsanblick in nördlicher Richtung für drei Beobachtungsorte verglichen:

I) 89° nördliche Breite (also fast am Nordpol); 9°östliche Länge
II) 45° nördliche Breite, 9° östliche Länge
III) 1° nördliche Breite (also fast am Äquator), 9° östliche Länge

89° nördliche Breite:
Der Polarstern steht (fast) im Zenit)
45° nördliche Breite:
Der Polarstern steht "etwa in der Mitte zwischen Horizont und Zenit"
1° nördliche Breite:
Der Polarstern steht (fast) am Horizont
Man erkennt:
Je weiter man nach Süden geht, desto mehr nähert sich der Polarstern dem Horizont. Auf diese Weise kann man die geographische Breite des Beobachtungsorts bestimmen: Die geographische Breite ist genau so groß wie der Winkel alpha zwischen dem Horizont und dem Polarstern.

Den Polarstern findet man am Himmel leicht, wenn man die beiden hinteren Kastensterne des Großen Wagens als "Zeigesterne" verwendet:

(Der "Große Wagen" ist Teil des Sternbilds "Großer Bär" (Ursa Maior, UMa); Der Polarstern gehört zum Sternbild "Kleiner Bär" (Ursa Minor, UMi))

Vermutlich haben die Wikinger auf diese Weise navigiert, als sie um das Jahr 1200 herum Nordamerika entdeckten (ohne Kompass).

Nun noch ein Blick zum Himmelssüdpol.

Der Himmelssüdpol liegt im Sternbild Octans. Allerdings gibt es keinen hellen Stern in der Nähe, so dass der Himmelssüdpol am Himmel nicht so leicht zu finden ist. Die folgende Sternkarte zeigt den Himmelsanblick von Kapstadt (35° südliche Breite, 20°östliche Länge) aus in südlicher Richtung (am 15. August um Mitternacht):

Zum Auffinden des Himmelssüdpols kann man das Sternbild "Kreuz des Südens", Crux) verwenden: Der längere Balken zeigt zum Himmelssüdpol. Allerdings ist das Kreuz des Südens ein recht kleines Sternbild und nicht besonders auffällig. Die Seefahrer und Entdeckungsreisenden der vergangenen Jahrhunderte verwendeten deshalb die hellsten Sterne des Sternbilds Centaurus als "Zeigesterne": Alpha und Beta Centauri zeigen genau auf das Kreuz des Südens. Übrigens: Der Stern Alpha Centauri (genau genommen ein Dreifachsternsystem) ist derjenige Fixstern, der der Erde am nächsten steht, er ist etwa 4 Lichtjahre entfernt.

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